Balkan – 2. Teil

Bosnien – Kroatien – Montenegro – Albanien – Kosovo – Mazedonien

Bosnien
– zum 2.
Den Abend in Sarajevo verbringen wir das erste mal mehr oder weniger komplett im RoKi. Also das heisst, unser rollendes Daheim wird in ein Wohnzimmer umgebaut. Draussen schüttet es weiter wie aus Kübeln. Mit einem guten Buch und dem schreiben des ersten Berichts geht die Zeit auch schnell vorüber.
Der folgende Tag empfängt uns bewölkt, aber trocken. Mit einem Monster-Schoggigipfel aus der Pekarna rütteln wir im überfüllten Tram (das noch aus 70er-Jahre Sowjet-Beständen sein muss) rein nach Sarajevo. Sarajevo, eine Stadt, welche in der Geschichte mehrmals an die Weltöffentlichkeit gelangte. Der 1. Weltkrieg wurde hier ausgelöst (durch die Ermordung eines Mitglieds der österreichischen Kaiserfamilie), 1984 waren hier die olympischen Winterspiele und in den 90er Jahre war die Stadt während dem Bosnienkrieg rund 1400 Tage belagert. Jeder Sschoss auf jeden. Die Stadt lag danach in Trümmern. Schreckliche Dinge passierten in dieser Stadt. (Bei Interesse, lest euch mal ein bisschen ein, zB auf Wikipedia.)
Aufgrund der Auseinandersetzungen von damals gibt es in Bosnien immer noch ausländische Militärpräsenz, die sog. EUFOR ALTHEA. Die schweizer Armee beteiligt sich auch daran, mit einem kleinen Detachement in sogenannten LOT-Häusern. In Mostar treffen wir sogar zufällig auf ein kleines Grüppchen im schweizer Tarnanzug, mit welchem wir ein paar Worte wechselten. Schönen Dienst euch noch!
Genug der Geschichtslektion. Also, raus aus dem Tram, rein in die Altstadt. Enge Gassen, Souveniershops, viele Tauben und noch mehr asiatische Touristen. Alle paar Meter eine Moschee, danach aber wieder eine orthodoxe- und auch eine römisch Katholische Kirche. Sarajevo wird auch als das Jerusalem Europas bezeichnet, weil hier so viele Religionen dicht
an dicht beheimatet sind.
Neben dem herumbummeln in den Gassen, besuchen wir auch eine kleine Ausstellung, welche das Massaker von Srebrenica thematisiert. Fotos und Videos lassen es einem kalt den Rücken herunter laufen. Die Namen und Fotos der 20’000 Opfer sind an den Wänden zu sehen.
(Auch hier, wer dieses dunkle Kapitel nicht kennt -> Google ist dein Freund.) Nachdenklich und mit einem ziemlich flauen Gefühl im Magen verlassen wir die Ausstellung und machen uns zurück auf den Weg zum Campingplatz, wo RoKi und sein Wachhund geduldig auf uns warten.
Durch die bosnische Teilrepuplik Srpska fahren wir nun also über endlose, kurvige Strassen, vorbei an zum Teil äussert armen Dörfern zurück an die Küste, in die kroatische Exklave Dubrovnik.

Kroatien – zum 2.
In Dubrovnik angekommen sind wir ab der hohen Polizeipräsenz und der vielen abgesperrten Strassen etwas irritiert, finden aber doch noch den Camping. Dieser wird zwar als einer der teuersten in unserem bisherigen Reiseleben in Erinnerung bleiben, dafür sind wir nahe
vom Zentrum.
Die hohe Polizeipräsenz erklärt sich im übrigen damit, dass in Dubrovnik gerade 40’000 jugendliche Katholiken eine grosse Open-Air Messe feiern. Hunderte von Reisecars verstopfen überall alle Parkplätze und Trottoirs und am Abend sieht man überall Teenie-Grüppchen in der Altstadt. Wir ziehen, es ist ja schliesslich Samstag Abend, auch ein wenig durch die Bars in der wunderschönen Marmorstadt und lassen uns dann von einem Taxi zurückchauffieren.
Der nächste Tag ist dann (endlich!) der erste komplette Sonnentag auf unserer Reise! Die Altstadt Dubrovnik’s begrüsst uns von der schönsten Seite. Ein echtes Juwel, alles aus Marmor, schöne Kirchen, grosse Stadtmauer, Wachtürme, ein kleiner Hafen, enge Gässchen. Und leider auch komplett überlaufen von Touris und deswegen auch alles schweineteuer. Die Preise brauchen sich hinter Stadt-Luzerner Preislisten nicht zu verstecken. Im Sommer
muss es mittlerweile sehr hoch zu und her gehen, da viele internationale Jetsetter mit ihren Yachten vor Anker gehen. Ein krasser Gegensatz zu dem ein Tag vorher besuchten, eher ärmlichen Sarajevo.
Gestärkt mit Cevapici fahren wir an diesem Sonntag nur gerade mal 10km weiter, nach Kupari. Wir wollen es nach der langen Etappe vom Samstag etwas ruhiger angehen. Ein kleiner Camping mit grandioser Aussicht aufs Meer ist schnell gefunden und wir können zum ersten mal kurze Hosen anziehen und in der Sonne relaxen. Und waschen. (Einen Tumbler haben wir ja nicht dabei, also muss die Sonne schon mitspielen)
Da es in der Nacht dann wieder anfängt zu regnen, beschliessen wir weiter nach Montenegro zu fahren.

Montenegro
Kleine Anektote aus Montenegro. Frage, was haben die hier für eine Währung? Keine Ahnung. Also mal den nächsten Bankomanten ansteuern und etwas einheimisches Geld rauslaussen. Die Auswahl auf dem Display war 10, 20, 50 oder 100. Ja, aber 100 was?
Montenegrinische Lira? Konvertible Dollar? Immer noch keine Anhnung. Also mal auf gut Glück „50“ gedrückt und heraus kamen tip tope Euro-Scheine. Leicht verwirrt fahren wir weiter bis ein Stückchen nach der Bucht von Kotor, wo wir auf der Suche nach einem Camping in einem kleinen Café mit WiFi anhalten. Tataaa, Google sei Dank wissen wir nun, das Monenegro 2006 den Euro eingeführt hat, ohne aber dabei zur Währungsunion zu gehören. Tja, manchmal merken wir, das wir wohl nicht auf alle Länder so gut vorbereitet sind wie bis anhin gedacht.
Weiter finden wir über Montenegro heraus, dass:
a) der Tourismus in Montenegro noch etwas in den Kinderschuhen steckt
b) ein auf dem Navi eingezeichneter Campingplatz überhaupt nicht mehr sein muss, als ein überwucherter Stellplatz für Wohnwagen-Wracks und
c) dass in der Nebensaison überhaupt gar nichts läuft.
In der Nähe von Petrovac finden wir in der an der Küste doch noch einen Camping, der einigermassen zu empfehlen ist. Nach einem kleinen Standspaziergang am Abend fängt es dann auch wieder an zu regnen. Bäääääääääh! Als wir schon unsere Spaghetti Carbonara verdrückt haben, kommt Michael, ein velofahrender Engländer aus Birmingham, mit dem Ziel Neuseeland (!) aufs Areal und will draussen vor seinem Zelt im Regen noch sein Abendessen kochen. Wir laden in dann ein, er dürfe unsere Küche „im Schärme“ benutzen. Sichtlich erfreut über das Angebot verbringt er dann noch den ganzen restlichen Abend mit uns unter unserer grossen Markise und bei einem Bierchen tauschen wir uns aus.
Am Dienstag 29. April wollen wir unseren ersten Ruhetag einlegen und hoffen auf gutes Wetter, damit wir am Strand an unserer Bräune arbeiten konnten. Der Plan viel buchstäblich ins Wasser. Begleitet von tosendem Donnergrollen regnete es wieder den ganzen Tag. Wir beschliessen trotzdem einen Ruhetag einzulegen und verbringen den Tag also mit Filmen, Büchern und Reisebericht schreiben im RoKi.

Albanien
Am Mittwoch wollen wir also weiter nach Albanien. Eigentlich war eine andere Route geplant,
doch ein metallisches Geräusch aus dem Motorraum, welches uns schon ein paar Tage begleitet, zwingt uns, eine LandRover-Garage in Tirana anzufahren. Die Hotline zu TravelTECH in Horw versorgt uns zwar mit Tipps und Adi hat auch schon mal den Keilriemen entfernt und ein Lager geschmiert, das nützt aber alles nichts.
Also rein in die Stadt. Bei einer grossen Garage, welche „Original Parts LandRover“ anpreist, finden die überaus umtriebigen Albaner den Fehler leider nicht, schmieren dafür aber gleich noch das Lager der Spannrolle des Keilriemens. Weiter in die Stadt hinein finden wir dann „Kastrioti Motors“, eine top-moderne Garage, auf welchem Hof sich an die 20 LandRover tummeln. Reli, der Motorenspezialist hört mit einem Stethoskop alles ab und weiss 2min nach dem öffnen der Haube, das wohl der Gummi der Kurbelwellen-Riemenscheibe gebrochen ist. Keine 5min später liegt die defekte Riemenscheibe ausgebaut vor uns, und ja, die ist wirklich hinüber. Der Bürolist, (resp. der Typ der im Anzug und Klemmbrett unter dem Arm, der die ganze Zeit telefoniert was das Zeug hält) versucht unser Ersatzteil zu organisieren.
Wir haben in der Zwischenzeit das Vergnügen Padre Sergio aus Argentinien kennenzulernen. Er arbeitet in einer kleinen Kirche in den albanischen Bergen und hat gerade ebenfalls seinen Defender bei den Kastrioti-Jungs in Behandlung. Ein interessantes Gespräch mit dem sehr offenen Kirchenmann kürzt uns die Wartezeit ab. Um 17.00 kommt dann der Klemmbrett-Mensch wieder und informiert uns, dass alle Teile die er organisieren könnte, auch schon bereits etwas älter seien und zT Rost angesetzt haben. Eine neue Scheibe könne er zwar besorgen, doch die koste mehrere hundert Euro. Man verspricht uns, am morgigen Tag noch weiter zu telefonieren. Da RoKi derzeit nicht fahrtüchtig und halb zerlegt in der Garage
steht, konnen wir auch nicht mehr weg von hier. Der Neffe des Besitzers erlaubt uns dann aber, auf dem Hof des Areals zu übernachten. RoKi wird aus der Garage gerollt und wir richten uns ein. Die Mechaniker und alle Herumstehenden (und von denen gibt es in einer albanischen Garage viele!) sind Fans von unserem Hubdach, dem Innenausbau, dem Wasseranschluss etc.
Nachdem alle Herren, ausser dem Nachtwächter, nach dem Feierabend vom Areal verschwinden, werden wir zu unserer eigenen Überraschung von
der Haushälterin der Garage, zum Nachtessen eingeladen. Wer hätte das Gedacht,
die erste fremde Stube, in die wir eingeladen werden, ist in Albanien. Die Haushälterinn spricht leider kein Wort deutsch oder englisch und wir bringen ausser „falaminderit“ kein albanisches Wort über die Lippen. Trotzdem ists recht amüsant und wir fühlen uns wohl. Die Nacht aber war dann weniger wohlig…
Auf dem Vorplatz der Garage, mit Dauerregen, Strassenlärm, Hundegebell und direkt unter einer Hochspannungsleitung suchen wir etwas Schlaf.
Neuer Tag neues Glück? In der schicken Bar der Garage wird uns am Morgen danach Tee serviert, während sie sich wieder auf die Suche nach einem günstigeren Ersatzteil machen. Nach rund anderthalb Stunden war der Klemmbrett-Mann aber überzeugt, kein günstiges Occasion-Ersatzteil mehr organisieren zu können und wir müssen zähneknirschend dem teueren Neuteil zustimmen. Eine weitere Stunde später können wir mit dem, wieder fröchlich knurrenden RoKi, vom Hof fahren. Ciao Tirana, ciao Kastrioti-Jungs!
Albanien ist wirklich lustig. Auf den folgenden Kilometern Richtung Lezhe verändert sich der Verkehr und wir schmunzeln und gröölen über die ungewohnten Verkehrsteilnehmer.
Da gibt es auf der Autobahn Ponywagen, Kühe (die ziehen zwar nix, dürfen aber auch ein bisschen im Verkehr mitmachen), viele Fussgänger mit Schubkarren (man stelle sich die vielen Radio-Durchsagen vor, von wegen Personen auf der Fahrbahn) oder auch Tankstellen auf der Gegenfahrbahn, wo man aber problemlos abbiegen darf. Und es gibt auch sehr viele Schlaglöcher.
Weniger lustig finden wir den Abfall und Bauschutt, der überall herumliegt. Eine Badi, die sich auch den schönsten Camping Albaniens schimpft, ist unser nächstes Nachtlager. Ausser Kröten und Hundegebell gibt es da aber nicht viel zu entdecken.
Aber dafür empfängt der nächste Tag  uns mit Sonnenschein! Die Fahrt nach Kukes an der Grenze zum Kosovo, ist nun nicht mehr mit den vorher erlebten zu vergleichen. Eine TOP Autobahn führt uns durch imposantes Gebirge (und fast ohne Personen auf der Fahrbahn).

Kosovo
Zu den Herren Polizisten an der Grenze. Die finden das sehr abwegig, dass da eine Frau am Steuer sitzt und kommentieren auch direkt. Wir dürfen trotzdem rein und steuern Prizren an.
Prizren also… Adi ist ganz aufgeregt und sieht viele Veränderungen seit den letzten 4 Jahren. Wir tun, was man halt so macht in einer Stadt und schauen uns eine Moschee an, trinken Kaffee und flanieren herum.
Richtung Suhareke, wo Adi gearbeitet hat, kommen viele Erinnerungen auf und ich bekomme wieder mal Geschichtslektion und einige Anekdoten zu hören. Wir stoppen bei Alban. Den kennt Adi von damals und wir wollen bei ihm mal den RoKi gründlich reinigen lassen.
Alban begrüsst uns sehr herzlich und die Herren haben sich viel zu erzählen. Die Einladung, dass wir die Nacht auf seinem Areal verbringen dürfen, nehmen wir gerne an. Nach dem Einkauf und Zmittag (den Preis wollt ihr gar nicht wissen…So könnten wir fast täglich auswärts essen!) kehren wir zu Alban und seiner Familie zurück.
Der Abend ist dann wirklich toll. Wir werden auf dem Bauernhof hinter dem Waschplatz herumgeführt. Denn Alban wäscht nicht nur Autos, er und seine Familie haben auch
eine Hühnerzucht, produzieren Honig, brennen Raki, sind Jäger, Metzger und und und…
Albans Vater setzt sich zu uns. Er hat ein kugelrundes Gesicht, das oft komplett mit seinem Lachen ausgefüllt wird. Er erzählt uns aus seinem Leben. Agim hat so manches erlebt, er flüchtete nach Deutschland und hat keine Hemmungen, uns die ganzen Details seiner Odyssee damals zu berichten. Wir hören gespannt zu und sind schockiert, was er da alles von Handgranaten, Kalaschnikov, Schleppern, dubiosen Serben und seiner Angst um die Familie Zuhause sagt. Der gute, gschaffige Mann ist nun aber ganz froh, dass er in Frieden seine 15 Enkelkinder aufwachsen sehen kann, und seine 5 Söhne so fleissig sind.
Anderntags, graues Wetter, verabschieden wir uns und wollen uns dankbar zeigen. Partout nehmen die Leute aber nichts von uns an. Hupen und winken – und schon gehts weiter nach Pristina. Oder Tristina, bei dem Himmel passender.
Wir machen einen Abstecher zum Gazimestan – Monument und dann weiter nach Skopje.

Mazedonien
Und schon wieder ein neues Land. Mazedonien gibt sich, auf dem riesigen Platz mitten in der Stadt merken wir es, sehr stolz. Protzige Denkmäler, schicke Restaurants und aufgedonnerte Damen lassen uns staunen. Zum Glück sind die Preise noch nicht da, wo sie in anderen europäischen Städten sind.
Heute Abend wollen wir uns wieder mal der Körperpflege widmen und ein Raki-Tee aufbrühen, mit dem Raki welchen uns Alban noch mitgegeben hat.

Machts gut und viele liebe Grüsse,
Janine und Adi