Iran

Team RoKi bei den Iranern

Türkei – zum letzten Mal
„Was?! Ihr wollt durch den Iran fahren? Ist das nicht gefährlich?“ Das haben wir vor unserer Abreise oft gehört. Und nun, nach der ersten Woche hier können wir euch getrost berichten: Nein, total super ist es! Wenn man von den Bekleidungsvorschriften mal absieht und man nicht vor hat, für sich alleine zu sein, dann ist der Iran das wohl faszinierendste, kontrastreichste und gastfreundlichste Land, dass wir je gesehen haben.
Aber mal zum Anfang:
Am zweiten Tag in Trabzon läuft alles wie am Schnürchen. RoKi wird in die guten Hände der LandRover-Garage gegeben und geniesst dort seinen wohlverdienten grossen Service. Mittlerweile hat er uns auch schon fast 10’000km weit gebracht und das soll belohnt werden. Unser türkischer Freund Cenk sorgt via Telefon dafür, dass wir bei den Mechanikern nicht abgezockt werden und handelt für uns einen grosszügigen Rabatt aus. Zwischenzeitlich füllen wir im Konsulat unser Visa-Antrag aus, geben alle notwendigen Dokumente ab (Fingerprints, Referenznummer, Passfotos) und werden aufgefordert, bei einer nahegelegenen Bank 2x 75 Euro einzubezahlen. Abends um 17:00 sei das Visum dann abholbereit. Um die Zeit zu vertreiben, gehen wir in Trabzon auf dem Bazar ein wenig shoppen. Nach etwas herumirren in den labyrinth-artigen Gässchen finden wir dann was wir suchen…Kleider, in denen wir den Iranern auch anständig rüberkommen (Naja und ausserdem würden Shorts und Träger-T-Shirt dort gegen das Gesetz verstossen). Die Türken übrigens wundern sich recht über uns, wenn sie hören, dass wir ihr Nachbarland besuchen. Einer davon ist der Ömer, der uns einen herzlichen Abschied von Trabzon bereitet… Als er unser CH-Nummernschild sieht, kommt er fröhlich auf uns zu und spricht uns in einem Dialekt an, den wir am ehesten mit „Erkan & Stefan“ vergleichen können. Er lebt seit 28 Jahren in Schweinfurt und macht gerade Urlaub in seiner Heimat. Es folgen viele Tee’s, ein paar Bierchen, seine besten Freunde, eine ausgefallene Hotelbar, und ganz viele „das is waaaaahnsinn, ey!“ vom lustigen Ömer, der es total schade findet, dass wir nicht länger bleiben, denn er würde am liebsten unser persönlicher Touristenführer spielen. Dafür zeigt er uns einen guten Schlaftplatz, wo man die besten Köfte isst, wie man Ayran trinkt und sorgt zusammen mit seinen „Kumbels“ Ahmet, Sherefe & co. für einen unbeschwerten Abend. Nebenbei, Ömer sucht noch eine „modernische“ Frau, welche mit ihm in die Türkei zurück zieht und für ihn kocht. Bei Interesse geben wir gerne seine Nummer preis 🙂
Tags darauf fahren wir über eine Schotterstrasse über eine Pass nach Erzurum und weiter bis zur Grenze. Es scheint, als hätte es das Schicksal in letzter Zeit zu gut mit uns gemeint und will nun wieder etwas Ausgleich schaffen… Die Grenzstadt Dogubayazit ist ein wirklich grässlicher, unfreundlicher, dreckiger und dubioser Ort. Zu allem Übel verlieren wir auch noch den Tankdeckel, die Post ist geschlossen und als türkische Souvernirs werden da höchstens geschmuggelte Zigaretten verkauft. Da wir nach dem langen Fahrtag keine Lust darauf haben, eine Nacht mitten im Stadtleben zu verbringen, nehmen wir uns ein billiges Hotelzimmer für 60TL und nutzen Dusche, Ruhe und WLAN exzessiv aus. So sind wir und unser Nervenkostüm optimal vorbereitet für den Grenzübertritt am nächsten Morgen. Wir haben extra noch zwei Snickers gekauft, falls es etwas länger dauert. Glücklicherweise finden wir kurz vor der Grenze bei einer Garage noch einen passenden Tankdeckel für RoKi. Also los!
Entgegen all unserer Erwartungen geht alles ganz zackig am Zoll. Nach 1,5h sind wir drin. Man muss aber dazu sagen, dass zwei Punkte massgeblich dazu beigetragen haben. Erstens hat uns ein Iraner an der Grenze mit seinem „Welcome to my country“ dermassen beeindruckt, dass wir uns für 20 Euro von ihm zu allen „Stempelstellen“ leiten lassen. Ohne dass wir genau mitbekommen haben wie, sind am Schluss alle Papiere, Versicherung und Stempel so wie sie sein sollen. Zweitens ist der Soldat, der RoKi inspizieren soll, etwas irritiert von unserer nassen Unterwäsche, die da drin zum trocknen aufgehängt ist. Er schliesst die Tür kommentarlos wieder. (Anmerkung dazu: Wir waschen ab jetzt „on the road“, indem wir einen wasserdichten Packsack als Waschtrommel benutzen und unterwegs bei öffentlichen Brunnen das Wasser wechseln und danach die Wäsche jeweils an einem Übernachtungsplatz oder eben im Auto aufhängen. Funktioniert tip top!)

IRAN
Also, wir sind im Iran! Wir sind tatsächlich von Zuhause bis ins alte Persien gefahren. Unsere Freude ist riesig! Zwar ist da die Sache mit dem Kopftuch, diesem unpraktischen Ding, das ständig rutscht, einem in den Weg kommt und flattert, aber dazu werden wir noch kommen.
Die erste Nacht verbringen wir am Ufer des Orumyeh-Salzsee in Sheraf Kaneh. Natürlich bekommen die aufmerksamen Dorfbewohner mit, dass da Touristen durch ihre Strassen fahren und so kommt es, dass schon als unser Znacht in der Pfanne brutzelt, der Bürgermeister inkl. Frau und Sohn zu Besuch kommen und uns ein Sack mit frischen Kirschen schenkt. Sein englisch reicht zwar nicht für eine Konversation, aber wir spüren, dass wir sehr willkommen sind. Wenig später folgten viele winkende und staunende Leute in vollgestopften Autos und nochmals der Bürgermeister höchst persönlich. Diesmal mit dem Vize-Bürgermeister und einem dolmetschenden Stundenten im Schlepptau. Wir lassen uns zu Tee und Glacé einladen (viel lieber wäre dem Bürgermeister ein Dinner bei ihm Zuhause gewesen) und verbringen einen Abend mit angeregten Diskussionen über Regierungs-Systeme, Wirtschaftsfragen und Bildung im Iran und der Schweiz mit den sehr gebildeten Herren.

Tabriz
In Tabriz besuchen wir den Bazar. Er ist der grösste überdachte Bazar der Welt und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Er ist so gross und verwinkelt, dass sogar Adi’s ausgeprägter Orientierungssinn versagt. Es ist zwar sehr voll und ein riesen Durcheinander, aber es herrscht eine gutmütige, geduldige Atmosphäre und immer wieder werden wir angesprochen und uns wird freundlich geholfen. Sobald die Iraner jedoch in einen fahrbaren Untersatz steigen (und das ist fast immer ein Peugeot, Kia, Saipa, Zamyad oder ein Khodro), ists vorbei mit der Ruhe und der Freundlichkeit. Der Tabrizer Stadtverkehr ist brutal anstrengend und Dinge wie Ampeln, Sicherheitslinien oder Fussgängerstreifen werden als inexistent betrachtet. Da hilft nur Augen auf und fröhlich mithupen!
Trotzdem schaffen wir es wieder raus aus der Stadt und fahren via Ardabil nach Astara ans kaspische Meer.

Astara
Wir schlängeln uns die Hügel hoch und kommen in die heissfeuchte Klimazone am Meer. Es wird schon dunkel und unsere Kleider kleben an uns, als wir unser Nachtlager an einem kleinen See finden. Adi’s Lederschuh ist leider von einem Tankwart mit Diesel getränkt worden. Der Schuh wird geschrubbt und schon wieder kommt ein Mann daher. Der kleine, umtriebige Rezwan spricht zwar kein englisch, ist aber pantomimisch sehr begabt und so werden wir Freunde. Wenn wir einander wirklich nicht mehr verstehen, ruft er seinen Neffen in Tabriz an, welcher dann für uns übersetzt 🙂
Wir werden an einen schönen Schlafplatz, mitten im Garten unseres neuen Freundes geführt. Kaum sind wir da, kommt auch gleich seine halbe Familie mit einer Melone vorbei und wollen uns auch unbedingt kennenlernen. Wir können uns vor lauter weiteren Angeboten zum Essen, Einladungen und Freundlichkeiten kaum retten.

Chalus
In Chalus in einer Art Stadtpark angekommen, wo die Leute auch alle am zelten sind, zieht sich das mit der Gastfreundschaft weiter, egal wo wir hinkommen, werden wir mit Essen und Freundlichkeiten überhäuft und die Leute würden uns am liebsten alle bei sich Zuhause aufnehmen. Wir kommen kaum dazu, uns mal in Ruhe der Körperpflege zu widmen oder unsere Erlebnisse zu verarbeiten. Auch hier kommen viele Leute vorbei, alle wollen Fotos vom RoKi machen und wir lernen Arash kennen, einen Marine-Offizier, der am Hafen in Bandar Abbas arbeitet (unser letztes Ziel im Iran, am persichen Golf) Er gibt uns seine Telefonnummer, falls wir in Bandar Abbas seine Hilfe brauchen. Danke, Schicksal!

Teheran
Trotz der wenigen Privatsphäre die wir bisher hatten, beschliessen wir in Teheran einen Freund von Knüsi zu besuchen. Von Chalus führt eine wundervolle Bergstrasse vorbei an Schluchten, hohen Bergen und Stauseen zurück ins zentrale, trockene Hochland vom Iran. Pouya, so der Name des Freundes, hat uns ein paar Tage zuvor auf Facebook kontaktiert und angeboten, dass wir in Besuchen sollen. Eigentlich wollten wir die Millionenstadt Teheran (geschätzte 18 Millionen Einwohner!!) umfahren, aber wenn man da jemanden kennt, sollte man schon hingehen. Wir sind ja nicht jeden Tag da.
Und das was jetzt kommt, ist ein krasser Kontrast zu allem anderen vorher!
Pouya, den Knüsi von Südafrika kennt, ist ein gutaussehender, blitzgescheiter Mann aus gutem Hause (Er sieht übrigens fast genau so aus wie Stu! Echt Wahr!) Kaum kontaktiert, sitzen wir mit ihm in einem der besten Restaurants der Stadt und essen Chelo-Kebap. Wir können unser Glück kaum fassen, als der gute Pouya uns anbietet, bei ihm Zuhause in den Indoor-Pool zu springen (evtl. hat man uns nach 3 Tagen ohne Dusche unsere Wünsche ablesen können, oder eben „abriechen“). Wir waren schon im Himmel und wurden noch glücklicher, als Pouya uns anbietet, bei der Schuhsuche zu helfen (nach der Dieseltränkung ging der Schuh auch noch verloren und Adi musste in Sandalen und Socken rumlaufen). Eins ergibt das Andere und wir treffen noch Amir, Pouyas Freund, kaufen Schuhe bei einem Trailrunner, lachen, plaudern und schwupps landen wir in einer teheraner-Privat-Party. Hier sei gesagt: In diesem Land ist Alkohol stengstens verboten und die Frauen müssen ihr Haar sowie den grössen Teil ihres Körpers bedecken. Doch was wir an dieser Party erleben, ist das pure Gegenteil. Erst mal gibts bei Cirrus auf der Terasse mit Hammerausblick einen Wodka-Shot, welcher das Eis schnell bricht. Dann trudeln lauter Supermodel-Damen im Hollywood-Outfit ein es wird getanzt, getrunken und geflirtet was dass Zeug hält. Kurz gesagt: Alles was „draussen“ verboten ist. Mannomann, was für ein Fest! Und das hier… Welch Ironie! Ohne Kopftuch fühlt Frau sich gleich 100x freier!
Pouya, wie gesagt blitzgescheit, erklärt uns vieles über seine Landsleute. Dass die Iraner, oder eben die Perser, schon so viele verschiedene Machthaber über sich ergehen haben lassen, dass sie geduldig werden mussten und sich so zwischenzeitlich immer wieder einen Weg suchen, das Leben eträglicher zu gestalten. Mann muss halt wissen wie! Und die Gesellschaft an Cirrus Party, alles gebildete Leute zwischen 27 und 42 Jahren, die wissens!
Danke Pouya, Danke auch deinen Freunden, es bleibt unvergesslich!

Abyaneh
So, jetzt werden die Hüllen wieder angelegt. Am nächsten Tag (wir haben nach der Party gleich bei Pouya geschlafen) fahren wir nach Abyaneh. Wir wollten zwar am Damavand wandern gehen, haben es uns dann aber anders überlegt :-).
Abyaneh ist genau das Gegenteil von Teheran. Ein charmantes, in rote Hügel eingebettetes Dörfchen, wo die Leute noch traditionelle Kleidung tragen und eine gemächliche, harmonische Stimmung herrscht. Beim herumschlendern treffen wir die ersten ausländischen Touristen, ein Paar aus Deutschland. Die beiden sehen aus wie typische Forscher, von Kopf bis Fuss in technischer Bekleidung in Erdtönen, sowie je einer riesigen Kamera um den Hals. Tatsächlich sind sie Iran-Experten und er hat sogar ein Buch über die Schmetterlingsarten im Iran verfasst. Dank den beiden finden wir auch einen perfekten Lagerplatz. Sie beide wissen nach ihrer 30sten Reise in dieses Land genau, dass man nie lange allein sein kann und verstehen unseren Wunsch nach ein bisschen Privatsphäre. Also offroad den Berg hoch und wir finden ein tolles Plätzchen im Niergendwo, wo Adi das erste Lagerfeuerchen unserer Reise machen kann.
Isa hat uns Esfahan empfohlen. Das wird unser nächstes Ziel uns so gehts auf den Strassen zwischen mit Melonen beladenen blauen Pickups, Motorrädern bepackt mit ganzen Familien und 1000en von alten Mercedes Kurzhauber-Lastwagen Richtung Süden.

Esfahan
Die Stadt ist wunderschön und wir geben uns der entspannten Stimmung hin. Vielleicht ist das der Grund, warum uns eine ganze Reihe glücklicher Zufälle passiert. Hier die Kurzform: Mohammed spricht uns im Teehaus an. Kaufen kleinen Teppich bei seinem Onkel, Essen Melone im Teppichgeschäft, Ludwig aus Holland stösst hinzu, lernen etwas über Teppiche, besuchen das Dach des Basars wo der Teppichflicker arbeitet. Sitzen im Gras vom Imam-Platz mit Ludwig. Treffen Ludwigs Bekannte Shima und werden zum Fruchtsaft eingeladen. Werden von Shima und ihren beiden Brüdern zum Couchsurfing überredet. Bringen Ludwig zu seinem Nachtlager (RoKi wird temporär zum 3 Plätzer), treffen Mohammend wieder (nun 4 Plätzer) und auf den Strassen wird Essen und Trinken verteilt, aufgrund eines religiösen Feiertags. Shima bringt uns zu ihr nach Hause. Alle Cousins und Cousinen treffen ein und das Wohnzimmer füllt sich mit jungen, lieben Leuten! Wir essen, lachen und dürfen bei bei Mohammeds Gitarrenspiel zuhören, tanzen und fallen todmüde ins extra für uns hergerichtete Bett. Und noch nicht genug… Tags darauf machen Shima und ihren zwei Brüdern für uns und Serdan (ein türkischer Couchsurfer, welcher auch bei Shima übernachtet hat) die privaten Stadtführer. Wieder stösst die ganze Verwandtschaft dazu und wir fühlen uns als wären wir ein Teil ihrer Familie. Mit grösster Mühe überzeugen wir sie am Abend doch noch davon, dass wir ihnen nicht länger zur Last fallen wollen und werden vollbepackt mit einem grossen Topf heissem Essen, Geschenken und vielen neuen Telefonnummern und E-Mailadressen und fahren raus aus der Stadt. Fazit: der Teppich verleiht Flügel!
Übrigens hat Shima gerade ihr Studium zur Tourismus-Managerin beendet und freut sich, wenn sie unseren schweizer Freunden ihre Stadt zeigen kann!
Die Nacht verbringen ausserhalb der Stadt in der Wüste, bei Vollmond, Nahe der Autobahn (links und rechts davon ist nähmlich auch nur Wüste und wir finden hinter einer kleinen Düne einen super Schlafplatz).

ChakChak
Wir steuern ChakChak an, ein kleines Pilgerdörfchen der Zarathustrier. Wir finden eine imposante Landschaft zwischen Bergen und Wüste und lassen uns irgendwo neben einem der wenigen Bäumen in der Wüstenlandschaft für den Rest des Tages nieder. Die einzigen Besucher heute sind eine Ziegenherde und deren Hirten, ansonsten gibt es hier einen unberechenbaren Wind und ganz viel Stille. Wir finden es super!!

Das sind die Kontraste, wie wir ihr nun seht, die uns hier jeden Tag wieder überraschen.
Falls du nun tatsächlich den ganzen Bericht bis zum Ende gelesen hast -> Chapeau! Es fällt uns bei all den Erlebnissen etwas schwer, uns kurz zu fassen 🙂
Aber gerade aus dem Land, worüber bei uns so viele Vorurteile herrschen, finden wir es wichtig, euch eine Vorstellung geben zu können, was hier alles abgeht und wie toll dieses Land doch ist.

Wir schicken euch ein grosses Stück der iranischen Herzlichkeit und unsere allerliebsten Grüsse aus der Wüste!

J&A