VAE – Indien

Wie wir vom Luxus in die Gosse kommen.

VAE (Teil 3)

Das Visum für Indien ist rechtzeitig in unseren Händen und so können wir uns, immer noch gemütlich bei Stevens Familie einquartiert, um die Verschiffungsangelegenheit kümmern. Verschifft wird ab Dubai. Muskat, wie ursprünglich geplant, ist laut Agent momentan nicht möglich.
Vielleicht liegt’s daran, dass die Muslime den heiligen Monat Ramadan feiern und es bei der Arbeit etwas lockerer angehen als sonst. Sprich: Es wird nur ungefähr halb soviel gearbeitet und das halt auch verschoben, je nach Laune… Der eine, der kommt morgens früher und trifft den, der erst vor Mittag angefangen hat dann halt nicht mehr.
Übrigens – man darf in der Öffentlichkeit nicht essen, trinken oder rauchen.
Wir auch nicht.
So kommt es, dass wir weitere 5 Tage brauchen, bis der ganze Papierkram erledigt ist und während der Wartezeiten in den Büros heimlich in einer Ecke unseren Durst und Hunger stillen. Zum Glück sind wir nun beide Nichtraucher.

Oman wäre eines unserer ersehnten Ziele… gewesen. Leider bleibt uns wegen des gebuchten Fluges ab Muscat keine Zeit mehr und wir schieben dieses Land etwas traurig auf unsere länger werdende „das nächste Mal dann“- Liste. Von Dubai fliegen wir nach Muscat, steigen um und schweben dann im Nachtflug über die Lichter der omanischen Hauptstadt und stürzen uns im Morgengrauen direkt ins Chaos von Mumbai!

INDIEN

Mumbai

Was für ein Kontrast! Gerade noch lagen wir unter Palmen im Pool und nun fährt uns ein Taxi auf der „falschen“ Strassenseite vorbei an Müllbergen in denen barfüssige Menschen herumwühlen, durch incredible Mumbai.
Via Couchsurfing.com haben wir uns im vorhinein einen Schlafplatz bei Kushal sichern können… der Fahrer findet die Adresse sogar nach nur dreimaligem Nachfragen bei Passanten und wir stehen mit unseren Rucksäcken um 6.30 Uhr dann tatsächlich klingelnd vor seiner Tür.
Wir sind todmüde, durstig, etwas ernüchtert vom Anblick des schäbigen Treppenhauses und bereits voller Eindrücke nach der kurzen Taxifahrt durch die aufwachende Stadt mit ihrem schockierend ungeschminkten Morgengesicht.
Doch niemand reagiert auf unser Klingeln. Fast schon will die Verzweiflung Überhand nehmen, da meldet sich Kushal am Telefon. Nach dem besten Tee unseres Lebens, überlässt er uns sein Zuhause um zur Arbeit zu gehen und wir sinken zum Soundtrack „Hupkonzert“ erleichtert in die Kissen seiner Couch.
Als er Abends zurückkehrt, werden wir von seinen Freunden bekocht und geniessen, mittlerweile ausgeschlafen, den gemütlichen Abend im trockenen, während sich draussen der Monsun austobt.

Am 11.7. geben wir uns die erste komplette Dosis Mumbai. Frühmorgens (nach Kushals Tee, versteht sich) gehts mit der Autoriksha zum Bahnhof. Allein schon die Fahrt in diesem tollen Vehikel durch das Gewusel und Gehupe der Strassen Mumbais wäre ein eigenes Kapitel wert. Aber: Wir sind auch noch Zug gefahren.
Uns blasen die Ventilatoren ins Gesicht, während sich der ratternde Bummler, mit offenen Türen langsam Richtung Zentrum bewegt. An den Gleisen zieht das Leben an uns vorüber… Kinder spielen in ölig schimmernden Wasserpfützen, Wäsche trieft an den Leinen im Monsunregen, Berge von Abfall türmen sich entlang der Geleise und unser persönliches Highlight: Wir sehen jede Menge nackte Hintern. Ja, kein Witz! Wer kein Klo Zuhause hat, der macht sein Geschäft halt an den Bahngleisen. Wir gewöhnen uns nun ziemlich rasch an, statt Nase den Mund zum atmen zu nutzen
Trotz all dem fühlen wir uns erstaunlich wohl in Mumbai. Mit etwas Humor betrachtet und mal um die Ecke gedacht, ist es hier nämlich ganz super. Hier leben beispielsweise ein ganzer Haufen verschiedener Religionen friedlich beieinander, arm und reich können sich nicht voreinander verstecken und in punkto Sparsamkeit können wir uns da also eine dicke Scheibe abschneiden. Ausserdem versuchen viele junge Leute hier ihr Glück als Bollywood-Star… Wir sind also quasi mitten im L.A. Indiens Einfach mit, sagen wir mal, etwas anderen Hygienevorstellungen.
Wir verbringen den Tag damit, uns durch die Stände mit dem scharfen Futter zu probieren, den Sightseeingpfaden zu folgen, uns mit Gästen einer amerikanisch-indischen Hochzeit anzufreunden und buchen noch gleich einen Geburtstagsausflug in den Süden.
Die Leute sind anständig zu uns, wir werden weder betatscht, belästigt, noch zu arg angestarrt und uns wird bei Fragen freundliches Kopfwackeln entgegengebracht. Wir wissen dann zwar nicht, ob damit Ja oder Nein gemeint ist, verlassen uns dann einfach auf unser Bauchgefühl.
Abends dann, führt uns Kushal aus in die „rude lounge“. Er hat sich extra zu meinem Geburtstag etwas einfallen lassen. Himmlisch feines Essen, einen echten Geburtstagskuchen, und: Tanzen wie wild inmitten des aufgedrehten Bollywood-Partyvolks! Einfach unbezahlbar! 😀

Der Süden – Kerala

Die Wartezeit auf den guten RoKi wollen wir nutzen, um den Süden zu erbackpacken.
Immer wieder, wenn wir mit den vielen Indern (die sind in fast jedem Land aufgetaucht) geredet haben, waren sie alle untröstlich, dass wir den Süden ihres Landes auslassen wollen.
Also gut! Wir fliegen nach Kochi und weiter gehts, mit Alex dem Russen, den wir noch aufgabeln, nach Aleppey.
Die gesamte Region ist berühmt für ihre Ayurveda-Kuren, für die Backwaters Flusslandschaften (wo viele ihre Flitterwochen auf einem Hausboot verbringen) und für die Freundlichkeit der Leute. Tatsächlich bemerken wir einen riesigen Unterschied diesbezüglich.
Hier tragen die Herren einen kecken, gewickelten Rock, die Damen den typischen Sari und viel öfter sind in den Gesichtern neben den Farbtupfen auch echte Herzlichkeit und Freude zu sehen.
Wir nesten uns in einem schönen Guesthouse ein und machen eine ganze Woche lang entspannte Ferien. Wir essen fantastische, sauscharfe Gerichte, lassen uns in der Knatter-Riksha im bunten kleinen Städtchen herumchauffieren, kaufen haufenweise Souvenirs (das Paket ist unterwegs. Irgendwo und machen Tagesausflüge. Ein wirklich wunderschöner Ausflug war der in die Backwaters mit einem Holzkanu. Einen ganzen Tag lang rudert Babou, der Guide uns zusammen mit 2 anderen Touris (aus Basel – welch Zufall!) durch die Kanäle und Seen dieses Gebiets, das Venedig von Indien genannt wird.
Die Indischen Schönheiten schrubben gerade an den Ufersteinen ihre bunte Wäsche, die Fischer werfen ihre Netze aus und es herrscht eine betriebige Harmonie inmitten des tropischen Regenwalds. Lächelnde Gesichter heissen uns Willkommen und wir fühlen uns wie im Märchen inmitten der farbenprächtigen Vögel und abertausenden von Kokosnusspalmen (zum Glück hat unser Kanu ein Stoffdach).
Als Lunch bekommen wir frischen Fisch serviert. Alle Zutaten kommen direkt aus der unmittelbaren Umgebung…Kokosnuss-Mango Chutney, Kartoffelcurry und natürlich Reis. Dieser ist gerade mal 20m neben uns im Reisfeld gewachsen und schmeckt fantastisch fluffig frisch!
Wir werden dann auch noch vom Monsun beglückt und erleben die Wasserflut, die sich innerhalb von wenigen Sekunden über uns freisetzt, hautnah. Bis auf die Unterhosen durchtränkt und überglücklich kehren wir in unser Nest zurück.
Hier ist zwar Nebensaison, doch da unser Guesthouse im Lonelyplanet empfohlen wird, sind einige Besucher zu Gast. So verbringen wir u.a. Einen lustigen Abend mit den 2 unkomplizierten Schweizern, 2 flotten britischen Schwestern und unserem enthusiastischen russischen Freund Alex. (Er baut grad ein Hostel in Sri Lanka auf Namens FIRST, also auf nach Sri Lanka mit euch! )

Die Schattenseiten

Zurück in Mumbai, noch an die freundlichen Gesichter des Südens gewöhnt, zeigt uns dann die Stadt ganz andere Seiten. Die Rikshafahrer sind agressiv drauf und wollen uns allesamt übers Ohr hauen. Das Wort NO, wird völlig ignoriert und wir werden das erste mal richtig laut. Und das allerschlimmste: Wir werden krank. Drei mal dürft ihr raten… Genau! Oben und unten kommts raus, wir werden vor gar nix verschont. Es ist zum heulen. Erst nach 48 h, vielen Bananen und Isopräparaten können wir mal einige Schritte vors Hotel wagen. Und das immer noch extrem schwach.
In diesem Zustand wird es dann auch sehr schwer, über die schlimmen Zustände hinweg schauen zu können. Es stinkt grauenvoll, es ist überall eklig dreckig und die Bettler gehören zu praktisch jedem Strassenbild. Unser schwaches Nervenkostüm ist noch nicht bereit für eine weitere Dosis Mumbai.
Dazu gehört eine grosse Portion Toleranz, ganz viel Humor und inneren Frieden. Wenn wir uns diese Eigenschaften antrainiert haben, gehts dann wieder. Hoffentlich.
Die beiden letzten Abende (uns gehts wieder etwas besser) in der Megapolis verbringen wir in Bollywood-Kino (sehr lustig, auch wenn wir nicht verstehen was die da sprechen) und mit einer kanadischen 3er-Gruppe aus jungen Ladies, welche gerade Ferien von ihrem Wohltätigkeitsjahr in Nepal machen.

RoKi returns

Wir vermissen RoKi sehr und unsere Geduld wird stark auf die Probe gestellt, denn sein Schiff kann wegen der starken Regenfälle auch nicht entladen werden. Es dauert eine ganze Woche, bis wir endlich am Hafen unseren treuen Freund wiedersehen.
Leider sind die fiesen Hafenarbeiter gar nicht zimperlich mit ihm umgegangen und haben beim einladen in Dubai prompt das Solarpanel zerstört. „!/#*~*****!!!!“
Adi hat 100 mal betont, dass bei den Reifen die Luft raus muss!
Naja, bezahlen tun sies wenigstens. Jetzt müssen wir halt sehen, wo wir ein neues herkriegen.
Trotzdem sind wir überglücklich, unsere geliebten Sitzplätze wieder einnehmen zu können, geniessen den Luxus der eigenen 4 Wände und die Freiheit einfach mal losfahren zu können.
Auf in den Norden! Adi zeigt Talent für den Strassenverkehr der Inder und vor lauter Freude, wieder am Steuer zu sein, fährt er die knapp 800 km von Mumbai nach Udaipur gleich durch.

Fazit

Zugegeben, wir hatten sehr viele Vorurteile und wussten auch nicht, wie wir Camper uns als Backpacker so anstellen würden. Aber zum Glück hat sich uns dieses vollgestopfte, kunterbunte, laute, chaotische und wilde Land von beiden Seiten gezeigt, von der „gruusigen“ und auch von der faszinierend schönen Seite nämlich.
Wir machen uns nun auf, um mit Sile und Beni noch weitere spannende Blickwinkel Indiens zu entdecken. Könnens kaum erwarten, euch zu sehen!!

Euch Lieben Zuhause wünschen wir einen bunten, glacereichen und laaaangen Sommer, inkl. Bester Gesundheit, versteht sich!

Namaste, J&A